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Flüchtlinge Asylzentren außerhalb der EU - ist das die Lösung?

Österreich will Migranten gar nicht mehr in die EU lassen, sondern sie in Zentren etwa in Albanien oder Nordafrika parken. Die Idee ist nicht neu - aber immer noch problematisch.

Ein nicht mehr ganz frisches Konzept in der europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik feiert gerade eine Renaissance: Österreich und Dänemark wagten vor zwei Wochen den Vorstoß für Asylzentren jenseits der EU-Außengrenze. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zeigte Interesse.

Nun sprach sich auch EU-Ratschef Donald Tusk für Asylentscheidungszentren vor den Toren der Union aus - und am Mittwoch folgt Beifall von Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU).

Beim EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel, bei der die Ratspräsidentschaft offiziell an Österreich übergeht, werden die außereuropäischen Zentren Thema sein.

Hier lesen Sie, wie das Konzept funktionieren soll und welche Probleme es mit sich bringt:

Die Vision

Migranten auf einem Boot (Archivbild)

Migranten auf einem Boot (Archivbild)

Foto: ISMAIL ZITOUNY/ REUTERS

Ein Boot legt in Tunesien ab, mit Hunderten Migranten an Bord.

Bislang ist auf dieser Route oft Italien das Ziel. Kentert das Schiff, bringen Küstenwache, Marine oder humanitäre Helfer die überlebenden Schiffbrüchigen bislang dort an Land.

Ähnliches passiert mit Booten aus Libyen. Ägyptische Schiffe gelangen oft nach Griechenland, von Marokko aus geht die Fahrt meist nach Spanien. 40.000 Menschen kamen so in den ersten sechs Monaten dieses Jahres.

Mit Asylzentren außerhalb der EU soll das ganz anders werden. Alle im Meer Geretteten würden in solche Zentren verbracht. Dort fiele dann die Entscheidung über ihren Flüchtlingsstatus.

Wer als Verfolgter anerkannt wird, soll unter Mitarbeit des Uno-Flüchtlingshilfswerks auf EU-Staaten verteilt werden, das sogenannte Resettlement. Die anderen werden in ihre Heimat zurückgeschickt.

Woher stammt die Idee?

Thomas de Maizière (CDU) war 2014 Bundesinnenminister

Thomas de Maizière (CDU) war 2014 Bundesinnenminister

Foto: Michael Reynolds/ picture alliance / dpa

Schon Mitte der Achtzigerjahre drang Dänemark im Rahmen der Uno auf Asylzentren, betrieben vom Uno-Flüchtlingshilfswerk, welche die globale Verteilung der Menschen organisieren sollte. Allerdings ohne Erfolg.

2002 dann wollte ein britischer Innenminister bereits eingereiste Menschen aus Afrika in dortige "Lager" zurückschicken. 2003 forderten die Briten beim Innenministertreffen im griechischen Veria die Schaffung "regionaler Durchgangszentren für Flüchtlinge und Asylsuchende",  ohne genau zu benennen, ob die inner- oder außerhalb der EU stehen sollen. Ein Jahr später griff Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Idee auf, und sprach von Asyl-"Lagern" in Libyen oder Marokko. Die Ablehnung in Deutschland war damals beinahe einhellig.

2014 wärmte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Idee wieder auf, mit anderer Wortwahl. Er sprach von "Willkommenszentren". Auch daraus wurde nichts, in der EU fand de Maizière keine Mehrheit.

Gibt es vergleichbare Lager schon?

Bewohner eines australischen Lagers auf der Insel Manus

Bewohner eines australischen Lagers auf der Insel Manus

Foto: Matthew Abbott

Seit 2001 interniert Australien Menschen, die übers Meer ohne Visum einreisen wollen, auf pazifischen Inseln. Den Inselstaaten zahlt Australien jährlich gut drei Milliarden australische Dollar dafür. Auf Manus, das zu Papua-Neuguinea gehört, und auf Nauru bietet Australien jedem, der in sein Heimatland zurückkehrt, zudem 16.000 Dollar an.

Der Haken: Die Camps werden für viele zur Endstation. Abgelehnte Migranten wollen nicht zurück nach Hause, und selbst anerkannte Flüchtlinge lässt Australien nicht ins Land. Sie müssen in kleinen Gruppen vom UNHCR weltweit verteilt werden, wie zuletzt 2016 in die USA.

Wo könnte ein Zentrum entstehen?

Erstaufnahme für Flüchtlinge in Albanien, Juni 2018

Erstaufnahme für Flüchtlinge in Albanien, Juni 2018

Foto: GENT SHKULLAKU/ AFP

Die entscheidende Frage - ohne konkrete Antwort.

De Maizière sprach 2014 von "Willkommenszentren" in "Nordafrika", auch Schily fand das zehn Jahre zuvor schon eine gute Idee. Doch das Angebot an die Maghreb-Staaten, zum Auffanglager Europas zu werden, kommt dort bislang nur mäßig an.

Die kleinen EU-Länder Dänemark und Österreich hatten zuletzt das noch kleinere Albanien - armer Mittelmeeranrainer und seit 2014 EU-Beitrittskandidat - ins Gespräch gebracht.

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos antwortete einem Journalisten auf die Frage, wo ein Asylzentrum entstehen könnte, mit der Gegenfrage: "Hat irgendein Land Bereitschaft erklärt, ein solches Lager aufzunehmen?"

Was geschieht mit in Zentren anerkannten Flüchtlingen?

Afghanische Flüchtlinge an der serbischen Grenze, November 2015

Afghanische Flüchtlinge an der serbischen Grenze, November 2015

Foto: Djordje Savic/ dpa

Angenommen, es gäbe ein Zentrum: Schon jetzt sperren sich mehrere EU-Länder - etwa Ungarn und Polen - dagegen, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen. Anstatt internationale Verpflichtungen zu erfüllen, schüren ihre rechtsnationalen Regierungen Vorurteile gegen Fremde.

Deutschland, das fast eine Million Flüchtlinge beherbergt, aber auch Italien, Spanien und Griechenland, wo Jahr für Jahr Zehntausende über das Mittelmeer anlanden, werden von diesen EU-Partnern alleingelassen. Das müsste anders werden. Der EU-Gipfel in Brüssel am 28. und 29. Juni wäre dafür die nächste Gelegenheit.

Was passiert bei abgelehntem Asylgesuch?

Abschiebeflug am Baden-Airport in Rheinmünster (Archivbild)

Abschiebeflug am Baden-Airport in Rheinmünster (Archivbild)

Foto: Patrick Seeger/ dpa

Selbst wenn die anerkannten Flüchtlinge verteilt werden könnten - ein Teil der Boat People im Mittelmeer flieht nicht vor Krieg oder Verfolgung.

Trotzdem lehnen Migrationsexperten wie Mehrdad Mehregani von der Bertelsmann-Stiftung für sie den Begriff "Wirtschaftsflüchtling" als irreführend ab. Es gehe um Menschen, die ihre Heimat verlassen, weil sie dort in "ihren fundamentalen Menschenrechten bedroht" seien, durch Dürre, Hunger, Perspektivlosigkeit oder tiefe Armut.

Wie auch jetzt schon, machen fehlende Papiere oder die mangelhafte Kooperation der Herkunftsländer eine erzwungene Heimreise oft unmöglich. Durch die Zentren werde das Problem nur aus der EU hinausverlagert, warnt Mehregani - in Länder, in denen Rechtsstaatlichkeit weit weniger gewährleistet sei als in der EU. Dann könnten "Asylzentren de facto Haftlager" werden, die nur dazu dienten, Menschen an einer Weiterreise zu hindern.

Gibt es Alternativen?

Flüchtlingslager des UNHCR in Athen, 2015

Flüchtlingslager des UNHCR in Athen, 2015

Foto: LOUISA GOULIAMAKI/ AFP

Für die Lösung der europäischen Migrationsfrage sehen Experten drei Punkte als zentral an: Zunächst müsse die Hilfe für die akut von Flucht betroffenen Länder - wie im Falle Syriens für die Türkei, Libanon und Jordanien - großzügig ausgeweitet werden.

Weil 2014 unter anderem zu wenig für die Türkei getan wurde, kam es überhaupt zu den syrischen Flüchtlingstrecks nach Nordeuropa.

Außerdem müsste die EU ihre Resettlement-Versprechen einlösen und ausbauen. Wer geordnet von einer Krisenregion in die EU übersiedeln kann, muss nicht auf gefährlichen Routen über das Mittelmeer oder durch die Sahara flüchten. Doch selbst die 2017 vorgeschlagenen 50.000 Plätze dürften schwer zu schaffen sein, angesichts der Totalverweigerung einiger EU-Länder.

Ein weiterer Schlüssel wäre eine Perspektive für Arbeitsmigranten und "faire Migrationspartnerschaften" zwischen Europa und Afrika, sagt Experte Mehregani. Und das schon deshalb, weil der Wunsch, nach Europa zu gelangen, in Afrika lange Zeit nicht etwa ab- sondern zunehmen wird. Mehregani und andere glauben, davon könnten am Ende alle - Empfängerstaaten, Migranten und Herkunftsländer - profitieren.